Am 24. und 25. Jänner 2019 gab es eine Wiederaufnahme der Tonmahlerei mit den NÖ Tonkünstler-Orchester unter der Leitung von Guillaume Fauchère geben. Es war uns wieder ein großes Vergnügen!!
Siehe: http://www.festspielhaus.at/de/kalender/321-tonmahlereien
Gustav Mahler: Erste Symphonie in D-Dur
in einer gekürzten Fassung von Nicole Marte
November 2009
MITWIRKENDE
Tonkünstler-Orchester Niederösterreich, Orchester
Andrés Orozco-Estrada, Dirigent
Christoph Matl, Moderation und Konzeption
Nicole Marte, Konzeption
Christina Krug, Organisation Tonspiele
Inhalt
Es beginnt mit einer sachlichen Einleitung eines Moderators. Er
erläutert verschiedene Motive aus dem Werk und stellt sie in den
Zusammenhang einer Geschichte über einen heldenhaften Menschen, einen
Titanen. Nach dessen Abgang und während des Erklingens des ersten Satzes
folgt der Auftritt von Gustav Mahler höchst persönlich, welcher anhand
einer großen Titanfigur sein eigenes Werk erklärt. Manchmal tut er das
sehr akademisch, dann aber auch sehr euphorisch und leidenschaftlich. Im
Grunde würde er aber am liebsten lesen – er war nämlich eine
passionierte Leseratte, sein Leben lang.
Nach einem Tanz mit dem gesamten Publikum entdeckt Gustav Mahler eine
Musikerin im Orchester, die seiner damaligen Geliebten, Marion von
Weber, zum Verwechseln ähnlich schaut. Er widmet ihr den langsamen Teil
des zweiten Satzes, indem er ihn selbst dirigiert. Ein Jäger in Form
einer Humanette erzählt von seiner Begegnung mit dem Komponisten in
seinem Komponierhäuschen am Attersee und schildert nur ungern das Bild
von Moritz von Schwind, welches Gustav Mahler als Verständnishilfe für
die groteske Stimmung des 3. Satzes verwendete. Es stellt nämlich das
Begräbnis eines Jägers dar. Nachdem das gesamte Publikum mit dem
Orchesterchor den Kanon „Jäger Martin“ gesungen hat, stellt der Jäger
dieses Bild nach und das Orchester erklingt plötzlich in Form von zwei
Blasmusikkapellen.
Im 4. Satz betritt Gustav Mahler wieder die Bühne und versucht den
Dirigenten von seiner Lebensphilosophie zu überzeugen. Im äußerst
expressiven, langsamen Teil des letzten Satzes überreicht Gustav Mahler
der Musikerin, die ihm aufgefallen war, eine Rose und lädt sie in sein
Komponierhäuschen, dem Schützelputzhäusel, ein.
Konzept
Die „Tonmahlerei“ ist ein sehr abwechslungsreiches, informatives und
humorvoll inszeniertes Orchesterkonzert für Kinder. Zwischen Teilen der
gekürzten Symphonie treten verschiedene Figuren auf, die das Werk dem
jungen Publikum auf unterschiedlichster Art und Weise näher bringen.
Auch das Orchester und der Dirigent haben Rollen zu spielen, die zum
besseren Verständnis der Symphonie und zum Kennenlernen des Komponisten
beitragen.
Durch die vielseitige Beschäftigung mit dem Werk vor dem Konzertbesuch
gut vorbereitet, konnten die Kinder im Publikum viele Details der
Symphonie beim Konzert wieder erkennen und waren begeistert dabei, als
es hieß mitzutanzen oder mit dem Orchesterchor im Kanon zu singen.
Auch das faszinierende Gebäude einer Symphonie selbst wurde ihnen anhand
der Titanfigur begreiflich gemacht. Nur Musikwissenschaftlern oder sehr
Mahler kundigen Zuhörern wird auffallen, dass beim Aufbau der
Titanfigur eine Blume hinzugefügt und wieder weggenommen wird. Diese
Blume symbolisiert den zweiten Satz „Blumine“, der später von Mahler
wieder gestrichen wurde.
Spannung herrscht vom ersten Ton bis zum großen Finale, weil die Szenen
den dramaturgischen Ablauf der Symphonie noch verstärken.
Quellen
Verschiedenste Quellen dienten Matl und Marte als Basis für dieses
Orchesterkonzert für Kinder: Anmerkungen Gustav Mahlers zu seiner
Symphonie, das Programmheft der 2. Aufführung 1893 in Hamburg, welches
viele erklärende Bilder und Titel beinhaltete, die Aufzeichnungen
Natalie Bauer-Lechners, einer langjährigen Freundin von Mahler, vor
allem über den dritten Satz, Beschreibungen seiner Person und Berichte
über seine Affäre mit Marion von Weber – all das und vieles mehr bot
ausreichend Material für ein Konzert für Kinder.
Die Vorbereitung auf das Konzert: Lehrerpackage und Workshop
Die Vorbereitung der Schulkinder auf das Konzert erfolgte einerseits
durch die Lehrer selbst und andererseits durch Orchestermusiker, die die
Klassen besucht haben. Tonspiele schickte den Lehrern ein umfassendes
Lehrerpackage, welches Informationen über das Leben und Wirken des
Komponisten und seine Gedankenwelt kindgerecht aufbereitet enthielt. Die
Schüler erfuhren u.a. von Gustav Mahlers Begeisterung für
Blasmusikkapellen, z.B. dass er als kleines Kind einmal verloren
gegangen war, weil er der Blasmusikkapelle einfach gefolgt war. Sie
erfuhren auch von seiner Leidenschaft für die Literatur und für das
Radfahren. Informationen über das Orchester mit Rätselspielen waren
genauso mit im „Package“ wie Bilder von Gustav und Alma Mahler und das
Bild von Moritz von Schwind.
Kern der Unterlagen waren jedoch Anleitungen zur kreativen
Auseinandersetzung mit dem Werk. Eigene Übungen und Spiele zu den von
Mahler verwendeten Kompositionstechniken wie die Polyphonie oder der
„Durchbruch“ und einfache Anleitungen zum Nachkomponieren des Beginns
der Symphonie sollten die Kinder zum eigenen Tun anregen und sie so
nachspüren lassen, was alles in so einem Werk steckt.
Das Lied „Jäger Martin“ zum Kanon im dritten Satz – von Matl und Marte
neu getextet – und eine Choreographie zur Musik des zweiten Satzes
dienten als Anregungen zum aktiven Musizieren.
Der Besuch der OrchestermusikerInnen in der Volksschulklasse
Der Höhepunkt in den Vorbereitungen auf das Konzert war sicherlich der
Besuch von zwei Orchestermusikern und einer Musikvermittlerin in der
Schule. Nach lustigen Aufwärmspielen und der Präsentation ihrer
Instrumente wurden dann die beliebtesten Übungen aus dem Lehrerpackage
nochmals gemacht und dieses Mal mit professionellster Unterstützung. So
wurde dann aus dem Kanon „Jäger Martin“ ein von Kindern dirigiertes und
musiziertes Klassenorchesterstück.
Der Grund, weshalb der Auftrittsapplaus bei Tonspiele-Konzerten immer so
lautstark ausfällt, ist sicherlich die Freude über das Wiedersehen der
Kinder mit ihren neu gewonnenen Orchesterfreunden auf der Bühne.
Das Ziel
Das Ziel war es, Wissen über Gustav Mahler und sein Werk zu vermitteln
und gleichzeitig die Kinder in die verschiedenen Stimmungen der
Symphonie eintauchen und viele freudvolle und aufregend spannende
Momente erleben zu lassen.
Das junge Publikum in eine „andere Welt“ führen, in die symphonische
Welt Gustav Mahlers, ihnen das große Werk begreifbar zu machen und
Neugierde zu erwecken auf weitere Werke der Orchestermusik – das war der
Wunsch der Musikvermittler bei der „Tonmahlerei“.
Eine Sternkarte zum Kosmos Gustav Mahler
Constanze Wimmer über „Tonmahlerei“
Nicole Marte und Christoph Matl inszenieren ein Konzert mit dem
Tonkünstler-Orchester Niederösterreich unter Andrés Orozco-Estrada, das
Gustav Mahlers Symphonie Nr. 1 in D-Dur für Kinder aufbereitet und
erlebnisreiche Zugänge zu seinen musikalischen Natur-Schilderungen und
bizarren Wald-Szenen eröffnet. Dass sich Mahlers Werk auch Kindern
erschließt, werden Marte und Matl phantasievoll unter Beweis stellen.
«Das Komponieren ist wie ein Spielen mit Bausteinen, wobei aus denselben
Steinen immer ein neues Gebäude entsteht. Die Steine aber liegen von
der Jugend an, die allein zum Sammeln und Aufnehmen bestimmt ist, alle
schon fix und fertig da», sagt Gustav Mahler zu seiner Freundin und
Vertrauten Natalie Bauer-Lechner.
Das Vermittlungsprogramm «Tonspiele» lädt das junge Publikum bereits
seit sechs Saisonen ein, viele musikalische Bausteine zu sammeln und
aufzunehmen: Kinder, Jugendliche und Familien werden als musikalische
Gestalter aktiv und lernen das Repertoire des Orchesters kennen. In
vorbereitenden Workshops mit Mitgliedern des Orchesters oder
inszenierten Konzerten für Kinder und Jugendliche werden gemeinsame
Räume zwischen dem Publikum, den Interpreten und der Musik eröffnet, die
Konzerte zum Erlebnis machen.
Mit Gustav Mahlers 1. Symphonie steht diesmal ein Werk im Mittelpunkt,
das seit seiner Uraufführung für heftige Diskussionen sorgt: während
Mahler noch einer der frühen Aufführungen ausführliche Programmnotizen
zur Seite stellt, die den einzelnen Abschnitten im Sinne
programmatischer Musik Bedeutungen wie «Aus den Tagen der Jugend», «das
Erwachen der Natur am frühen Morgen» oder «Ein Totenmarsch in Callots
Manier» unterlegen, wehrt er sich gleichzeitig gegen vereinfachende
Erklärungen seiner Musik: «Ich weiß für mich, dass ich, solang ich mein
Erlebnis in Worten zusammenfassen kann, gewiß keine Musik hierüber
machen würde. Mein Bedürfnis, mich musikalisch-symphonisch
auszusprechen, beginnt erst da, wo die dunkeln Empfindungen walten, an
der Pforte, die in die ‹andere Welt› hineinführt…»
An dieser Pforte beginnt die Herausforderung für die Musikvermittlung.
Mahlers Symphonie ist voller Assoziationen, die vom Kuckucksruf bis zum
Leichenbegräbnis des Jägers, der quiekenden böhmischen Musikkapelle und
dem fahlen «Frère Jacques»- Kanon reichen. Mahler verwebt Klänge zu
Farbclustern und lässt musikalische Figuren wie in einer Collage
nebeneinander statt nacheinander erscheinen – Bausteine, die Kinder
ebenso wie Mahlers Lust zu bizarren und grotesken Ausdrucksformen
spielerisch in eine «andere Welt» der Musik führen, wo auch «dunkle
Empfindungen walten».
Seit Leonard Bernsteins legendärer Konzertreihe für junge Leute in New
York verblasst die Auffassung, dass nur kindgerechte Kompositionen für
junges Publikum geeignet seien und Werke wie Mahlers 1. Symphonie in
ihrem vielschichtigen Kontext zu schwierig zu vermitteln wären. Jede
Begegnung mit Musik baut auf Erfahrungen des Zuhörers und des
Interpreten auf und vertieft sich im Verlauf des Lebens. Mahler spricht
von Wegtafeln und Sternkarten, die das Publikum zu neuer und ungewohnter
Musik führen. Die «Tonma(h)lereien» entwerfen eine dieser Sternkarten
und eröffnen damit Kindern einen musikalischen Kosmos, dessen Weite noch
im Erwachsenenalter als unendlich wahrgenommen wird.
Constanze Wimmer leitet den Masterlehrgang „Musikvermittlung – Musik im
Kontext“ an der Anton Bruckner Privatuniversität in Linz und ist als
Musikvermittlerin für unterschiedliche Zielgruppen aktiv.
Aus „Tonkünstler Das Magazin“ – Ausgabe3/2009
Lehrerpackage direkt bei elocin@nicole-marte.at erhältlich.
Fotos: Dimo Dimov