Carmina Burana mit dem Musikgymnasium Wien am 15. April 2011 um 10:30 Uhr im Festspielhaus St. Pölten Regie: Dora Schneider
Die Themen
Frühlingserwachen – die Entdeckung des Selbst – die Zugehörigkeit zu einer Gruppe und im Gegenzug das Gefühl des Ausgestoßen-Seins – die Wirkung des Alkohols – lasterhaftes Leben – die Sehnsucht nach Zweisamkeit und Liebe – Sexualität und sinnliche Liebe – der Aufstieg und Fall eines Stars – die allgegenwärtige Macht des Schicksals und der Umgang damit: Das u.v.m. sind die Themen der Verse des Codex Buranus, die im Mittelalter von fahrenden Scholaren und Mönchen verfasst wurden und heute noch ihre Gültigkeit, ihre Aktualität haben. Carl Orff hat sie am Gründonnerstag 1934 für sich entdeckt und ein Werk komponiert, das zu den populärsten Stücken ernster Musik des 20 Jahrhunderts gehört.
Einblick in die Geschichte der Inszenierung
Ein Mädel, Helena, schminkt sich, die Freundin hilft ihr dabei. Sie möchte schön sein für ihren „Gesellen“. Bisher waren es Gefühle von Sehnsucht, die sie erfüllt hatten – jetzt will sie ihrem Freund begegnen. Hugo, ihr Freund, beobachtet mal alles aus der Ferne, bevor er sich näher an Helena heranwagt. Er selbst ist noch unschlüssig über die Wege, die er beschreitet. Wege, die seinem Leben eine Richtung geben.
Zwischendurch gibt es ein Besuch in einer Taverne bei Mönchen und Vaganten, von denen die Gedichte der Carmina Burana stammen. Sie amüsieren sich über parodistische Show-Einlagen ihrer Freunde und betrinken sich in feuchtfröhlicher Atmosphäre.
Während des ganzen Geschehens spürt man die Macht des Schicksals. Sind wir Menschen dem Schicksal wirklich vollkommen ausgeliefert?
Eine Kantate in Szenen – das Konzept
Carl Orff nannte sein Werk eine „szenische Kantate“. Es ist daher nahe liegend, Szenen zu entwickeln, die den Inhalt der – in Spätlatein, Altfranzösisch und Mittelhochdeutsch verfassten – Verse wiedergeben. Obwohl die Carmina seit ihrer Uraufführung in Frankfurt/Main im Jahre 1937 hauptsächlich aufgrund ihrer effektvollen musikalischen Wirkung unaufhörlich gespielt wird, war für Carl Orff selbst die Musik dabei nicht so wichtig:
„Mir kam es nicht auf die Musik an, das sage ich offen, sondern auf die geistige Kraft, die hinter diesen Versen steckt. Und wenn heute die „Carmina Burana“ – ich darf es ruhig sagen – in aller Welt gespielt werde – so ist mir meine Musik nicht so wichtig, sondern dass die abendländische Kraft dieses Dichtwerks bindend verstanden wird, und dass dies wieder bindend wirkt!“
Die von der Regisseurin Dora Schneider und der Musikvermittlerin Nicole Marte entwickelten Bilder und Szenen machen aus den Stereotypen des Werkes von Carl Orff Individuen mit einer ganz persönlichen Entwicklung. Die lose aneinander gereihten Strophenlieder bekommen dadurch einen roten Faden, eine verbindende Geschichte.
Musikvermittlung
„Bei der Wiedergabe der Carmina muss der konzertante Rahmen gesprengt werden“, meinte Michel Hofmann, ein geschichtskundiger Archivar, der Orff bei der Auswahl der Texte sehr behilflich war. Das entspricht genau der Aufgabe von konzertpädagogischer Musikvermittlung im Allgemeinen. Die heutige Inszenierung ist ein Versuch, in dieser besonderen Weise, das Werk kennen zu lernen und zu erleben.